Barrierefreies Bauen

Barrierefreies Bauen

Zum barrierefreien Bauen ist zunächst festzuhalten, dass in der Präambel für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Folgendes ausgesagt wird:

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen. Von dem Willen beseelt als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“ […] Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte deutsche Volk.“

Zu den Grundrechten wird in dem Artikel 3 Satz (3) folgendes ausgeführt:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Damit ist definiert, dass das Grundgesetz die Mutter aller Gesetze ist. Gesetze, die verfasst werden, müssen jeweils mit dem Grundgesetz abgeglichen werden.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat somit in seiner Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB NRW) Ausgabe Juli 2019 in der Anlage 4.2/3 zur DIN 18040-2 die Rechtsnorm über die Bauordnung BauO NRW 2018 definiert, siehe hierzu auf Seite 67 der Anlage A. Dort wird zu dem Normansatz auf der Seite 68 unter Punkt 9 Folgendes ausgesagt:

„Zu Abschnitt 5.6 gilt: An Außen- und Fenstertüren, die einen unmittelbaren Zugang von einer Wohnung zu einem ihr zugeordneten Freisitz ermöglichen, sind unter Anschlägen oder Schwellen mit einer Höhe bis zu 2 cm zulässig. Die Abschnitte 4.3.3 und 5.3.1 bleiben unberührt.“

In den Abschnitten 4.3.3 und 5.3.1 werden die 0 cm Schwelle für den Bereich der Türen definiert. Es erfolgt einerseits eine Erleichterung für die Ausführung im Baugewerbe, die jedoch anderseits durch die Förderung im Wohnungsbau und einen Großteil der Baugenehmigungen der Städte, wieder zurückgenommen wird. Es ist festzuhalten, dass die 0 cm Schwelle vom Gesetzgeber und den Bauministerien gefordert werden.

Weiter ist erst definiert, dass eine Barrierefreiheit einzuhalten ist. Dabei folgt die VV TB dem Grundgesetz in Verbindung mit der Landesbauordnung.

Die VV TB verweist in ihrem Gesetzestext auf die DIN 18040-2, um diese zu zitieren und zu erläutern.

In der Verwaltungsvorschrift wird zwar auch die DIN 18531 erwähnt, jedoch nur in Verbindung mit Stoffen.

Ein Verweis auf das Regelwerk des ZvdH, den „Flachdachrichtlinien“ findet nicht statt.

Die DIN 18531 – Ausgabe 2017 – führt unter 6.7 An- und Abschlüsse Folgendes aus:

„Die Anschlüsse an aufgehenden Bauteilen sind:

  • Bei genutzten Dächern ≥ 0,15 m auszuführen … über Oberfläche Belag oder Kiesschüttung zu planen.

6.8 Türanschlüsse

Die Türanschlusshöhe der Abdichtung im Türbereich soll nach 6.7 mind. 0,15 m über der Oberfläche des Belages betragen. Dadurch wird verhindert, dass neben der üblichen Wasserbeanspruchung durch Schlagregen, auch bei Schneematschbildung, Wasserstau durch verstopfte Abläufe oder beim Vereisen Niederschlagswasser über die Türschwelle eindringt.

Eine Verringerung der Anschlusshöhe ist nur möglich, wenn im Belag unmittelbar vor der gesamten Türbreite durch Einbau einer Entwässerung die Wasserbelastung minimiert wird. Außerdem muss zu jeder Zeit ein einwandfreier Wasserablauf im Türbereich sichergestellt sein. Dazu kann im unmittelbaren Türbereich eine wannenbildende Entwässerungsrinne mit unmittelbarem Anschluss an die Entwässerung eingebaut werden. In solchen Fällen kann die Anschlusshöhe vom oberen Ende der Abdichtung bis zum Belag mind. 0,05 m betragen. Barrierefreie, niveaugleiche Übergänge oder Übergänge mit einer zulässigen Schwellenhöhe von ≤ 0,02 m sind abdichtungstechnische Sonderkonstruktionen. Sie erfordern eine auf den Einzelfall abgestimmte Ausführungsart. Für diese niveaugleichen Übergänge muss berücksichtigt werden, dass die Abdichtung allein die Funktion der Dichtigkeit am Türanschluss nicht sicherstellen kann. Durch planerische Vorgaben ist das Eindringen von Wasser und das Hinterlaufen der Abdichtung zu verhindern.“

Hier ist dem DIN-Ausschuss leider kein großer Wurf bezüglich der Abdichtung von Türen gelungen. Der Ausschuss hat sich an alle alten Normen und Fachregeln angelehnt und so die barrierefreien Übergänge, die inzwischen schon seit Jahrzehnten als Standard gebaut werden, nicht weiter betrachtet.

Komplett unverständlich ist, dass der DIN-Ausschuss die Türschwelle sogar noch mit  15 cm als Standard definiert. Dies entspricht definitiv nicht der Wirklichkeit, welche vor Ort gebaut wird. Die allgemein anerkannte Regel der Technik spiegelt die Regelwerke nicht wieder!

In meinem Büro haben wir im Wohnungsbau pro Jahr in der Qualitätssicherung oder Begutachtung ca. 2.000 bis 3.000 Türanschlüsse. Bedingt dadurch, dass wir für die größte Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Köln die Qualitätssicherung durchführen, kann ich aussagen, dass der übliche Anschluss im Türbereich auf der Terrasse, den Balkonen und Loggien 5 cm beträgt und dass ich in den letzten 30 Jahren maximal 10 bis 20 Türanschlüsse mit einer Höhe von 15 cm gesehen habe.

Die DIN 18531 spiegelt somit leider in diesem Bereich nicht die Wirklichkeit wieder.

Die DIN 18533 „Anforderung, Planungs- und Ausführungsgrundsätze für Bauwerksabdichtungen“ geht schon wesentlich präziser vor. Sie sagt unter 9.3 „Niveaugleiche Schwellen“ aus:

„Sind die unter 8.8.2.1 genannten Aufkantungshöhen im Einzelfall nicht herstellbar (z.B. barrierefreie Hauseingänge, Terrassentüren), sind besondere Maßnahmen gegen das Eindringen von Wasser oder das Hinterlaufen der Abdichtung einzuplanen. Es sind z.B. Türschwellen, Türpfosten und Rollladenführungsschienen von der Abdichtungsschicht zu hinterfahren oder an ihrer Außenoberfläche so zu gestalten, dass die Abdichtung z.B. mit Klemmprofilen wasserdicht angeschlossen werden kann (siehe Bild 27). Planerisch ist darauf zu achten, dass bei der Verwendung von werksseitigen Anschlussstreifen an Türen oder Schwellen die Verträglichkeit mit den Abdichtungsschichten und der Dichtheit des Anschlusses gewährleistet sind. Schwellenabschlüsse mit geringerer oder ohne Aufkantung sind zusätzlich, z.B. durch ausreichend große Vordächer, Fassadenrücksprünge und / oder unmittelbar entwässernden Rinnen mit Gitterrosten, vor starker Wassereinwirkung zu schützen. Das Oberflächengefälle darf nicht zur Tür hin gerichtet sein.“

Somit werden an dieser Stelle schon Aussagen getroffen, bei denen ein Planer einigermaßen Planungssicherheit hat.

Hiermit ist leider nicht der Standardfall definiert, welche die mindestens 5 cm Schwelle als Ausgangswert auslegt. Leider liegt auch hier die Standardlösung nicht mit einer Anschlusshöhe von mindestens 5cm vor.

Die Flachdachrichtlinie führt unter 4.4 „Anschlüsse an Türen“ Folgendes aus:

„(3) Barrierefreie Übergänge erfordern abdichtungstechnische Sonderlösungen, die zwischen Planer, Türhersteller und Ausführendem abzustimmen sind. Die Abdichtung allein kann die Dichtheit am Türanschluss nicht sicherstellen.

Deshalb sind zusätzliche Maßnahmen, z.B.

  • rinnenförmiger Entwässerungsrost oder eine vergleichbare Konstruktion, ggf. beheizbar, mit unmittelbarem Anschluss an die Entwässerung,
  • Gefälle der Wasser führenden Ebenen vom Übergang zur Fläche,
  • Schlagregen- und Spritzwasserschutz durch Überdachung,
  • Türrahmen mit Flanschkonstruktion,
  • Türen mit spezieller Abdichtungsfunktion,
  • zusätzliche Abdichtung im Innenraum mit gesonderter Entwässerung,

ggf. auch in Kombination erforderlich.“

Es werden ebenfalls – wie in der DIN 18533 – Lösungsmöglichkeiten für den Planer angeboten. Jedoch wird hier ebenfalls der Standardfall der 5 cm Schwelle nicht als Standard definiert. Dies gilt ebenfalls für die Barrierefreiheit.

Zusammenfassend gilt für alle 3 Regelwerke, die sich mit Abdichtungen beschäftigen, dass sie nicht in der Lage sind, den Standardfall in Deutschland zu definieren und Lösungsvorschläge anzubieten.

Weiter werden von Sachverständigen, die anscheinend Ihre privatrechtlichen Normen über das Grundgesetz stellen wollen immer wieder die Aussagen getroffen, dass bei 0 cm Schwellen Mängel vorliegen. Hier sollte der BGH einmal ein Grundsatzurteil sprechen. Es sollte zu den Türanschlüssen in den Regelwerken eine andere Regel gelten, nämlich dass 0 – 2,0 cm der Standard und 5 – 15 cm die Ausnahme sind!

Aus diesem Grund hat sich die Bundesfachabteilung Bauwerksabdichtung in Verbindung mit dem IFT in Rosenheim entschieden, eine Richtlinie für barrierefreie Türanschlüsse zu erstellen. Diese wird, leider Corona bedingt nicht mehr im Jahr 2020 veröffentlicht, sondern vermutlich erst im Jahr 2021.

Bei dieser Richtlinie, die in Verbindung mit den Fensterbauern erstellt wird, ist davon auszugehen, dass sie sich als allgemein anerkannte Regel der Technik durchsetzen wird, da die Gewerke für die Erstellung des Fensters, sowie für die Erstellung der Abdichtung eng zusammen arbeiten und technische Lösungen erarbeiten, welche auf die einzelnen Objekte angepasst werden müssen.

Darüber hinaus hat auch die Industrie hinsichtlich der barrierefreien 0-Schwellen inzwischen reagiert und sehr schöne Systeme entwickelt, bei denen davon auszugehen ist, dass auch die Fenster an sich in dem Bereich dauerhaft dicht und wartungsfrei sind.

Bei den momentan auf dem Markt vorhandenen bodengleichen Schwellenkonstruktionen mit absenkbaren Magnetdichtungen hat sich herausgestellt, dass der Wartungsaufwand sehr hoch ist und diese gemäß meiner technischen Einschätzung nicht bau- und nutzungspraktikabel verbaut werden können.

Hier muss der Bauherr eine Entscheidung treffen.

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